Ludwig XIV. und die deutschen Staaten

Ludwig XIV. und die deutschen Staaten
Ludwig XIV. und die deutschen Staaten
 
Frankreich war als Hauptgewinner aus dem Dreißigjährigen Krieg hervorgegangen und im Westfälischen Frieden seinem außenpolitischen Hauptziel, der Gewinnung einer europäischen Vormachtstellung durch Schwächung der habsburgischen Macht nach außen und Unterstützung der gegen Österreich gerichteten Bestrebungen der Reichsfürsten, ein gutes Stück näher gekommen. Als 1657 Kaiser Ferdinand III. starb, versuchte die französische Diplomatie vergeblich, die Nachfolge seines Sohnes Leopold I. zu verhindern, aber dieser musste in seiner Wahlkapitulation (einem mit den Fürsten vereinbarten Katalog von Wahlbedingungen) auf die Unterstützung des habsburgischen Spanien verzichten, das sich noch im Krieg mit Frankreich befand und 1659 den demütigenden Pyrenäenfrieden schließen musste. Bald nach der Kaiserwahl trat Frankreich dem ersten Rheinbund bei, der, auf Initiative des Mainzer Kurfürsten zustande gekommen, im Reich einen eigenständigen Machtfaktor gegenüber dem Kaiser schaffen sollte, aber zunehmend zum Instrument der antihabsburgischen Politik Frankreichs wurde und sich 1668 auflöste.
 
Inzwischen war der junge französische König Ludwig XIV. nach dem Tode Kardinal Mazarins 1661 zur selbstständigen Regierung gelangt. Er ging dazu über, die Vormachtstellung seines Landes durch Eroberungskriege auszubauen, gestützt auf Erbansprüche und weit hergeholte Rechtstitel. Damit stieß er allerdings auf wachsenden Widerstand in Europa und im Reich, ja, hier erwachte sogar ein »Reichspatriotismus«.
 
Den Gipfel seines Erfolgs erreichte Ludwig XIV. zwischen 1679 und 1681 mit den auf die Rheingrenze zielenden »Reunionen«: Unter Rückgriff auf mittelalterliche Lehnsvorstellungen erhob er Anspruch auf alle Gebiete, die mit den 1648 an Frankreich gefallenen Territorien in Verbindung standen. Auf diese Weise kamen weite elsässische, pfälzische und rheinische Gebiete unter französische Besatzung. Doch trotz einhelliger Empörung im Reich, insbesondere nach der Besetzung der alten Reichsstadt Straßburg 1681, kam es nicht zu einer geschlossenen Abwehrfront, vor allem wegen der von Frankreich geschürten Türkengefahr (siehe auch Türkenkriege). Erst als Ludwig XIV. seine Truppen 1688 in die Pfalz einmarschieren ließ, um die im Namen seiner Schwägerin Elisabeth Charlotte (»Liselotte«) von der Pfalz geltend gemachten Ansprüche auf die Besitzungen der erloschenen pfälzischen Kurlinie durchzusetzen, wurde 1689 der Reichskrieg gegen Frankreich beschlossen. Damit konnte zwar die Verwüstung der Pfalz nicht verhindert werden, aber im Bündnis mit England und anderen antifranzösischen Mächten wurde 1697 im Frieden von Rijswijk die Rückgabe der meisten Reunionen (außer dem Elsass mit Straßburg) erreicht.
 
Dass die französische Vormachtstellung auf die Dauer nicht zu halten war, zeigte sich vollends im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-13/14). Als nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers ein Enkel Ludwigs XIV. als Philipp V. den spanischen Thron bestieg, schloss sich wieder eine europäische Allianz gegen Frankreich zusammen. Zwar standen dieses Mal unter anderen die wittelsbachischen Kurfürsten von Bayern und von Köln auf französischer Seite (über sie wurde die Reichsacht verhängt), aber die Kriegführung des Herzogs von Marlborough und der Reichsfeldmarschälle Ludwig Wilhelm von Baden und Eugen von Savoyen erwies sich als überlegen. Kriegsentscheidend war allerdings die immer deutlicher hervortretende politische Schlüsselrolle Englands: Geleitet von dem Gedanken des Mächtegleichgewichts auf dem Kontinent, unterstützte es zunächst den österreichischen Anwärter auf den spanischen Thron. Doch nachdem dieser 1711 zum Kaiser gewählt worden war, wurde 1713 im Frieden von Utrecht ein englisch-französischer Ausgleich erzielt, dem sich Kaiser Karl VI. und die Reichsstände 1714 im Wesentlichen anschließen mussten. Der Bourbone Philipp V. wurde anerkannt, aber eine spanisch-französische Personalunion ausgeschlossen. Der Kaiser konnte seinen Einfluss im Reich nicht stärken, aber mit dem Gewinn spanischer Nebenländer die europäische Großmachtstellung Österreichs ausbauen. So hatte England das Ende der französischen Vorherrschaft erreicht und zugleich eine neue spanisch-österreichische Weltmacht verhindert. Frankreich war eine europäische Großmacht neben anderen.

Universal-Lexikon. 2012.

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